Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), genauer im § 163, wird u.a. das Recht von Lebensversicherungen geregelt, wann eine Erhöhung der sog. Bruttobeiträge in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) erfolgen darf. Einige wenige Versicherer verzichten in ihren Bedingungen auf genau dieses Recht.
Viele unabhängige BU-Marktanalysen greifen dieses Thema als wichtigen Punkt auf. In der spezialisierten Fachwelt wird aber über dieses Gebiet kontrovers diskutiert, dazu später noch mehr. Ein Grund auch einmal hierauf näher einzugehen.
Was verbirgt sich hinter dem § 163 VVG eigentlich jetzt genau beziehungsweise wann kann den nun ein Versicherer die Beiträge erhöhen?
Vereinfacht ausgedrückt kalkuliert ein BU-Versicherer für seine Berufsunfähigkeitsversicherungstarife eine Prämie, welche oft als der sogenannte „Bruttobeitrag“ bezeichnet wird. Nun erwirtschaften die Lebensversicherungen in aller Regel Überschüsse aus verschiedenen Quellen. Die Kunden können u.U. an diesen Überschüssen anteilig beteiligt werden. Deshalb ist es bei den meisten BU-Produkten möglich, die sogenannten Bruttobeiträge durch eine Verrechnung der Überschussbeteiligungen, der sogenannten Beitragsverrechnung, zu reduzieren.
Vereinfachtes fiktives Beispiel zur Veranschaulichung:
- kalkulierter Bruttobeitrag für Berufsunfähigkeitsversicherung monatlich € 100,-
- abzüglich Überschussbeteiligung (Form der Beitragsverrechnung)
- = zu zahlender Nettobeitrag im laufenden Jahr von monatlich € 80,-
Die Überschussbeteiligungen werden regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst. Nicht umsonst erfolgt bei allen Versicherungsscheinen ein Hinweis, dass die Überschussbeteiligung nicht garantiert ist. Hier zwei beispielhafte Auszüge solcher Hinweise (diese gibt es in verschiedensten Definitionen):
„Die Leistungen aus Überschüssen (Überschusssätze 2014) können nicht garantiert werden. Sie sind trotz der exakten Darstellung nur als unverbindliches Beispiel anzusehen. Ausführliche Informationen finden Sie in unserem Vorschlag unter „Unverbindliche Beispielrechnung“
oder
„Die Überschussanteile werden in Form eines Sofortüberschusses gewährt und reduzieren den Bruttobeitrag auf den zu zahlenden Nettobeitrag. Dieser kann für die Zukunft nicht garantiert werden, bleibt aber, bis ein neuer Überschusssatz festgelegt wird, unverändert.“
Es kann also während der Laufzeit eines Berufunfähigkeitsvertrages passieren, dass sich die Differenz zwischen dem anfänglichen Nettobeitrag und Bruttobeitrag später auch verändert, sprich der zu zahlende Beitrag erhöht wird.
Der Unterschied zwischen angenommenen (kalkulierten) Brutto- und Nettobeitrag in der BU kann je Versicherer / Tarif sehr voneinander abweichen. Ein Markt-Vergleich dieser Differenz bei den vorhandenen BU-Tarifen ist mehr als interessant.
Darüber hinaus gibt es neben der Beitragsverrechnung noch weitere mögliche Verwendungsarten für die besagten Überschüsse, wie z.B. die sogenannte verzinsliche Ansammlung, oder die Erhöhung der vereinbarten BU-Rentenleistung, oftmals auch von einigen Anbietern „Bonusrente“ genannt. Diese anderen Überschussverwendungen funktionieren komplett anders als die sogenannte Beitragsverrechnung. Hierauf werde ich in diesem Blogbeitrag jedoch nicht eingehen…
Im § 163 VVG geht es aber nicht um die Differenz zwischen Netto- und Bruttobeitrag, sondern vielmehr um die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit für den Versicherer auch den Bruttobeitrag zu erhöhen.
Hierzug werfen wir am besten einen kurzen Blick auf den betreffenden Paragraphen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Hierin wird erklärt wann ein Versicherungsunternehmen die Prämie erhöhen darf. Auszug aus dem VVG (Versicherungsvertragsgesetz) Stand 25.08.2014:
„§ 163 Prämien- und Leistungsänderung
(1) Der Versicherer ist zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt, wenn
1. sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat,
2. die nach den berichtigten Rechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie angemessen und erforderlich ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten, und
3. ein unabhängiger Treuhänder die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 überprüft und bestätigt hat.(…)
(2) Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass an Stelle einer Erhöhung der Prämie nach Absatz 1 die Versicherungsleistung entsprechend herabgesetzt wird. Bei einer prämienfreien Versicherung ist der Versicherer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zur Herabsetzung der Versicherungsleistung berechtigt.
(…)
(4) Die Mitwirkung des Treuhänders nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 entfällt, wenn die Neufestsetzung oder die Herabsetzung der Versicherungsleistung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf.“ Zitat Ende.
Hier erkennt man also schnell, dass eine Erhöhung des Bruttobeitrags für eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht einfach mal so schnell vom Versicherer festgelegt werden kann. Müssen doch einige Voraussetzungen erfüllt werden, wie z.B. die Bedingungen, dass sich der erhöhte Leistungsaufwand „nicht nur vorübergehend“ und zudem „nicht voraussehbar“ sein muss. Zugegeben aber ein Gesetztestext der Interpretationsspielraum zulässt.